Jens Gerlach |
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Wie jeder in Deutschland mache
ich mir in diesen Tagen auch so meine Gedanken über die
Flüchtlingswelle, die derzeit auf uns zurollt.
Eines will ich gleich vorweg klarstellen. Auch wenn meine Meinung von
der üblichen von unseren Medien propagierten abweicht,
distanziere ich mich ganz deutlichen von den rechten Dumpfbacken wie
Pegida und Co.! Ich bin nämlich nach wie vor der
Überzeugung, dass politisch Verfolgten Asyl gewährt
werden soll, egal aus welchem Land sie kommen!
Da ich mir auch ein eigenständiges Denken bewahrt habe, lasse
ich mich andererseits ungern von den in einer Art Selbstzensur
scheinbar gleichgeschalteten Medien einlullen. Meine Wahrnehmung und
die meines unmittelbaren Umfeldes ist eine andere als uns allabendlich
ins Wohnzimmer propagiert wird und sie ist geprägt von tiefer
Sorge.
Als naturwissenschaftlich gebildeter Mensch gehe ich immer nach dem
Prinzip Ursache, Folge und Lösung vor.
Ursache:
Also betrachten wir mal die Ursache der Flüchtlingsbewegung.
Nach den Anschlägen am 11. September in New York haben die USA
und ihre Alliierten einen Krieg in Afghanistan vom Zaun gebrochen, der
vor allem die Zivilbevölkerung getroffen hat und die Taliban
eher gestärkt als geschwächt hat. Jahre
später haben die USA gemeinsam mit der „Koalition
der Willigen“ einen Krieg gegen Irak geführt, nur
mit dem (erklärten) Ziel, Saddam Husein zu stürzen.
Diejenigen in der amerikanischen Regierung, die den Krieg wollten,
waren gierig genug nach Öl, aber zu dumm oder ignorant, um die
Tragweite ihres Handelns zu begreifen. Über das
„danach“ hat sich, so scheint mir, niemand
ernsthaft Gedanken gemacht. Beide Kriege haben zu einer
Destabilisierung und religiösen Radikalisierung der ganzen
Region geführt. Ereignisse wie jüngst die
Bombardierung eines UNHCR-Krankenhauses in Kundus werden die Amerikaner
und den Westen nicht gerade zu Freunden in Afghanistan machen.
Im Ergebnis der Entwicklung wurden Regierungen, die zweifellos
Diktaturen waren, aber jahrzehntelang für eine
Stabilität der arabischen Region gesorgt haben,
gestürzt. Da es in diesen Ländern nun mal keine
organisierte Opposition gibt und die feudalistischen Strukturen
längst nicht reif für eine parlamentarische
Demokratie westlichen Musters sind, versinken die
Länder im Chaos und übernehmen religiöse
Fundamentalisten das Ruder. Anstatt die Entwicklung kritisch und mit
diplomatischem Geschick zu begleiten, feierte der Westen das Ganze auch
noch als „arabischen Frühling“.
Folge:
Besonders in Syrien hat die Staatsmacht jegliche Kontrolle
über das Land verloren. Der Westen hat, anstatt mal daran zu
denken was danach kommt, einseitig den Krieg einer nicht geeinten
Opposition gegen Asad unterstützt. Von der Opposition sind
jetzt noch als nennenswerte Kräfte der Islamische Staat und
die Taliban übrig geblieben und die begnügen sich
längst nicht mehr mit Syrien. Der Islamische Staat mordet sich
inzwischen quer durch Syrien, Irak und steht an der türkischen
Grenze. Inzwischen sind 11 Millionen Syrer, das ist fast die
Hälfte der Bevölkerung, auf der Flucht. Und das nur
weil engstirnige Politiker in den USA und Westeuropa sich seit Jahren
nicht mit Präsident Putin auf eine diplomatische
Lösung für Syrien einigen wollten.
Lösung:
Zunächst mal, was nicht die Lösung sein kann: Es kann
nicht sein dass Europa und an erster Stelle Deutschland alle
Flüchtlinge aufnimmt. Angesichts von 11 Mio. allein syrischer
Flüchtlinge ist das keine Option. Schätzungsweise
kommen in diesem Jahr 1,5 Mio. Flüchtlinge nach Deutschland.
Viele davon reisen allein und es ist davon auszugehen, dass durch
Familiennachzug wir schnell bei 4 Mio., also etwa 5% der deutschen
Bevölkerung, sind.
Wenn sich Frau Merkel hinstellt und ruft, ihr Flüchtlinge
kommet nach Deutschland, ist das zwar moralisch betrachtet
ausgesprochen lobenswert, aber politisch betrachtet eine
Kurzschlusshandlung. Es ist begrüßenswert, dass Frau
Merkel inzwischen anerkennt, dass der Krieg in Syrien schnellstens
beendet werden muss, um die Flüchtlingswelle zu stoppen, nur
kommt diese Erkenntnis leider 4 Jahre zu spät.
Nebenbei muss auch die Frage erlaubt sein, warum alle
Flüchtlinge, die bereits aus Flüchtlingslagern in der
Türkei kommen und so der unmittelbaren Verfolgung bereits
entkommen sind, unbedingt nach Deutschland wollen?
Die Lösung kann nur sein, in erster Linie die Ursachen der
Flucht zu bekämpfen und den betroffenen Menschen direkt vor
Ort zu helfen. Aber auch hier haben die Europäer versagt und
die Türkei, Jordanien und Libanon mit den
Flüchtlingen allein gelassen. Viel zu spät besinnt
sich die EU, jetzt die Türkei bei der Versorgung von
über 2 Mio. Flüchtlingen zu unterstützen.
Vom Libanon und Jordanien spricht im Moment gar niemand.
Der entscheidende Schritt ist eine diplomatische Lösung
zusammen mit Russland. Wenn der Westen hier nicht über seinen
Schatten springt, wird der Krieg noch viele Jahre andauern. Ob es dem
Westen nun gefällt oder nicht: Die Entscheidung lautet
Islamischer Staat oder Asad. Eine dritte Alternative gibt es im Moment
nicht. Auch wenn der Westen jetzt wieder über Putin wegen der
Waffenlieferungen an Asad wettert, so muss man bei nüchterner
Überlegung sagen, dass Putin die Lage wesentlich realistischer
verstanden hat.
Aber auch hierbei besteht wenig Hoffnung: Wenn Russland Angriffe auf
den IS fliegt, wettern gleich alle westlichen Präsidenten in
einer konzertierten Aktion.
Die Angriffe Frankreichs wenige Tage zuvor waren nur eine Randnotiz
wert. Der Kalte Krieg lässt grüßen!
Vielleicht muss sich Europa erst einmal von den USA emanzipieren und
eine eigene an seinen Interessen orientierte Außenpolitik
formulieren. Den USA, die diese Kriege angezettelt haben, scheinen die
Folgen doch völlig egal zu sein, solange das Öl nur
irgendwie noch läuft. Immerhin sind die Amerikaner durch zwei
Ozeane gut geschützt. Wir in Europa erleben die Folgen einer
verantwortungslosen von den Amerikanern gesteuerten
Außenpolitik jedoch direkt vor unserer Haustür.
Welcher Politiker aus dem europäischem Parlament bringt als
erster den Mut auf, von den USA die Übernahme der
Verantwortung für die Schäden, die sie mit Ihrer
Außenpolitik angerichtet haben, zu fordern?
Ergänzing vom Oktober 2016: Damit Sie nicht denken ich spinne oder sein ein Verschwörungstheoretiker, sollten Sie das Buch "Wer den Wind sät" von Michael Lüders lesen.