Jens Gerlach |
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Seit vielen Jahren
verfolge
ich aktiv und passiv die Politik in Deutschland. Geweckt wurde mein
politisches
Interesse, als Willi Brandt mit seiner Ostpolitik die Entspannung in
Europa
einläutete.
Selten jedoch wurde so
heftig
gestritten und persönlich verletzt wie in dem Streit zwischen FDP
und Zentralrat der Juden, in persona Herr Möllemann und Herr
Friedmann.
In den Jahren nach dem
Krieg
war es Konsens zwischen den Parteien, keinerlei Kritik an Juden oder
dem
Staat Israel zu äußern. Angesichts der Tatsache, dass die
Menschen,
die Mitverantwortung für die Massenvernichtung von Millionen Juden
trugen, nicht nur weiter in Deutschland lebten, sondern in Parteien,
Vereinen
und Organisation wieder das neue Deutschland mitregierten, eine
verständliche
und notwendige Entscheidung. In den letzten Jahren mehren sich
allerdings
in Deutschland auch die Stimmen, die laut Kritik an Israel üben
oder
gar der Meinung sind, die kollektive Schuld der Deutschen sei
abgetragen.
Hier möchte ich z.B. den Thesen eines Martin Walser klar
wiedersprechen.
Die Deutschen werden sich auch nach Generationen noch zu Ihrer
Verantwortung
im „Dritten Reich“ bekennen müssen. Das bedeutet aber nicht
gleichzeitig,
dass wir blind und taub durch die Weltgeschichte gehen müssen und
Krieg, Mord und Verletzung der Menschenrechte ignorieren, wenn es sich
dabei um den Nahen Osten handelt. Im derzeitigen Nahostkonflikt wird
ständig
das freundschaftliche Verhältnis Deutschlands zu Israel betont.
Aber
gerade dann ist es notwendig den Freund auf Fehler und gefährliche
Entwicklungen hinzuweisen, wenn es ein muss, auch öffentlich. An
dieser
Stelle möchte ich Erich Böhme (Berliner
Zeitung vom 25./26.05.2002) zitieren: "Israel hat Anspruch auf
unsere
Unterstützung, verstößt dagegen ein israelischer
Ministerpräsident
wie jetzt Scharon - aus welchen Gründen auch immer - gegen die
Menschlichkeit
und führt Vernichtungsschläge Auge um Auge, dann müssen
wir uns das Recht reklamieren, ihm in den Arm zu fallen"
Der Krieg in Israel hat
viele Ursachen: Die Gründung des Staates Israel in Palästina
als Folge der Vertreibung der Juden aus Europa, die Kampfansage der
arabischen
Welt gegen das Existenzrecht Israels, dem Sechstagekrieg 1967 u.a.m.
Aus
meiner Sicht hat Israel den Bogen jedoch weit überspannt, indem es
in den folgenden Jahren nahezu alle UN-Beschlüsse zum Nahen Osten
ignoriert hat und statt dessen auf fremden besetzten Terretorium eine
ausgesprochen
aggresive Siedlungspolitik forciert hat. Interessant ist auch, wie
Eingeweihte,
die an den Verhandlungen zwischen Barak und Arafat in Camp David
teilgenommen
haben, die damalige Situation einschätzen (Berliner
Zeitung vom 27.05.2002). So schreibt Malley, ein Mitglied des
US-Teams
in Camp David: Arafat hatte nicht die Absicht, den Gipfel scheitern zu
lassen. Nach seinem Amtsantritt hätte Barak in den Verhandlungen
immer
neue Forderungen gestellt, den Siedlungsbau forciert sowie eine Reihe
israelischer
Verpflichtungen nicht erfüllt. Der damalige israelischen
Justizminister
wird mit den Worten zitiert: „Die Palästinenser fühlten sich
hereingelegt, erniedrigt und ausgetrickst“. Es wundert mich nicht, dass
die Palästinenser, wie ein in die Ecke gedrängtes Tier und
anderer
Möglichkeiten beraubt, im Terror einen Ausweg suchen. Ich will
hier
auf keinen Fall den Terrorismus rechtfertigen oder gar für
Verständnis
werben, aber als Physiker suchen ich allen Erscheinungen nach Ursache
und
Wirkung.
Möllemann hat nun
genau
auf diesen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung hingewiesen, nur
hat
den Fehler begangen, Verständnis für die
Selbstmordattentäter
einzufordern, wo es moralisch kein Verständnis geben kann. Die
Aufnahme
Karlis in die FDP hat den schon schwelenden Konflikt vollends
zugespitz.
Der Vergleich des israelischen Vorgehens mit Nazi-Methoden, den Karsli
angestellt hat, ist schwer zu entschuldigen, aber als gebürtiger
Syrer
ist er vom Nahostkonflikt stärker betroffen als jeder von uns und
reagiert daher emotionaler als wir es tun würden. Dies müsste
auch dem Zentralrat der Juden in Deutschland verständlich sein.
Anstatt
sich sachlich mit den beteiligten auseinanderzusetzen, geht der
Konflikt
in die nächste Runde. Die Reaktion von Herrn Friedmann verbunden
mit
dem Vorwurf, Möllemann sei ein Antisemit, ist übertrieben
gewesen
und war nicht dazu angetan, die Situation zu entschärfen. Das
Problem
ist, dass niemand aus dem Zentralrat der Juden bereit ist, sich
sachlich
mit der Kritik an der israelischen Außenpolitik
auseinanderzusetzen
und statt dessen jede Kritik am Staat Israel oder dessen Vertretern
sofort
als Antisemitismus zurückweist. Zu Recht stellt Werner Bergmann in
seinem Gespräch mit der Berliner
Zeitung (24.05.2002) fest, dass der Vorwurf des Antisemitismus
nicht
inflationär verwendet werden darf und sich Israel gern "auf diese
Weise gegen Kritik immunisieren möchte". Diese intollerante
Haltung
findet außerhalb der offiziellen politischen Kreise wenig
Verständnis
in Deutschland. Das glaube ich, aus vielen Gesprächen mit
Freunden,
Bekannten, Kollegen sowie aus aus Leserbriefen in verschiedenen
Zeitungen
beurteilen zu können. Diesen Aspekt meint Herr Möllemann,
wenn
er behauptet, Herr Friedmann fördere durch sein Verhalten den
Antisemitismus.
So ungeheuerlich diese Behauptung auch ist, solange sich der Zentralrat
der Juden nicht unvoreingenommen und ehrlich der israelischen Politik
stellt,
ist sie leider nicht von der Hand zu weisen.
Es ist leider nicht so,
dass es nur uns Deutschen mit Blick auf unsere Geschichte verwehrt
wird,
Stellung im Nahostkonflikt zu beziehen. Nein, auch jüdische
Journalisten
der Zeitung „Haaretz“ werden für Ihre Berichte über den
Alltag
der Palästinenser und die Folgen der Besatzung als „Arabische
Hure“
beschimpft und mit Worten wie „Einen Strick für die Verräter“
oder „Wir kriegen Dich“ bedroht. (Berliner
Zeitung vom 28.05.2002)
Sind jetzt die
jüdischen
Journalisten auch Antisemiten ?